Abiball 2018
„on demand und old school“
Ehrenwerte Festgäste, sehr verehrte Eltern und Großeltern, liebe Kolleginnen und Kollegen und heute natürlich vor allem liebe Abiturientinnen und Abiturienten!
In einem der letzten Hefte für Schulverwaltung und Schulleitung war über eure Generation, die Generation Y, sinngemäß zu lesen: Die heutigen Jugendlichen gehören zur On-demand-Generation. Sie sind damit Vorreiter und Stimmungsbarometer für die Zukunft.
Quantitativ sind junge Menschen wie ihr angesichts der demografischen Entwicklung weiterhin degressierend in der Minderheit, qualitativ ist eure Bedeutung aber hoch: Ihr habt die Deutungshoheit über die Kommunikationsgesellschaft und insbesondere das www. Ihr seid somit ein wichtiger Katalysator für den Kulturwandel in der Arbeitswelt und die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft.
Und ihr seid auch die erste Generation, die andere Lernmittel bevorzugt als sie früher üblich waren. Lehrer Lempel mit Tafel und Kreide ist passé. Lernstoff und Informationen müssen heute on demand verfügbar sein und das am besten auf jedem mobilen Endgerät.
Als ihr am 14.09.2010 am Gymnasium Rutesheim mit dem Herman-Hesse-Zitat „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ eingeschult wurdet, hat diese technische Entwicklung so wohl noch niemand abgesehen. Mit euch 124 neuen Fünftklässlern haben wir damals fünf Klassen gebildet, die von Frau Pockrandt, Frau Erbe, Frau Maier, Frau Jäckle und Frau Dr. Braun-Hansen als Klassenlehrerinnen unterrichtet wurden.
E-Tafeln in jedem Raum, ebenso Dokumentenkameras, iPads im Unterricht und eine immer weitergehende Digitalisierung waren damals selbst am innovativen Gymnasium Rutesheim noch kein so bedeutendes Thema.
Das hat sich stark geändert. Mittlerweile haben wir unseren Teil dazu beigetragen, dass ihr nicht nur on demand unterrichtet werdet, sondern auch zur Informationsbeschaffung und persönlichen Weiterentwicklung on demand befähigt seid. Technisch kennt ihr euch bestens aus, manchmal, so höre ich es von euch, sogar besser als mancher von uns Lehrern. Ich finde das in der richtigen Mischung im Schulalltag aber gar nicht so schlimm. Schule war längst ein Mehrgenerationenhaus, als dieser Begriff noch gar nicht erfunden worden war. Und wenn ich persönlich über meinen Beruf philosophiere, dann finde ich absolut begeisternd daran, dass er mir ermöglicht, mich generationenübergreifend mit immer neuen Herausforderungen beschäftigen zu DÜRFEN. Weiterlernen zu dürfen und sich weiterentwickeln zu können – fachlich, beruflich und auch persönlich – ist für mich ein Privileg in meinem Berufsalltag.
Weiterlernen zu dürfen, sich weiterentwickeln zu können, das ist hoffentlich auch ein von euch so empfundenes Privileg, egal ob das vornehmlich on demand oder old school-like geschieht.
Heute nehmen 90 Abiturienten ihr Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife entgegen mit einem respektablen Gesamtschnitt von 2,4. 23 von euch haben sogar eine 1 vor dem Komma. Die Übergabe des Reifezeugnisses ist ein bedeutsamer Augenblick in eurem noch jungen Leben. Und ich verspreche euch, ihr werdet diesen Abend nie vergessen. Auch ich erinnere mich noch sehr genau an dieses wichtige Ereignis in meinem Leben. Aber wie jeder bedeutsame Augenblick, wird auch dieser eine von hoffentlich noch vielen weiteren Stufen markieren, die ihr in eurem Leben beschreiten werdet. On demand ausgebildet, technisch versiert und als zukünftige Fachmenschen in ganz unterschiedlichen Bereichen [50% machen nach der Schule erst einmal work und travel – aber in umgekehrter Reihenfolge, wie mir neulich ein Mitschüler von euch verriet], werdet ihr in einer sich rasant weiterentwickelnden Gesellschaft hoffentlich noch oft die Erfahrung machen, dass „Jedem Anfang … ein Zauber inne[wohnt], der [euch] beschützt und der [euch] hilft, zu leben.“
Dieser Abend erlaubt es, dass ich euch dafür noch ein paar gute Wünsche mit auf den Weg geben darf. Drei sollen es sein.
Erstens: Schule sollte euch technisch versiert ausbilden. Technokraten müsst ihr dennoch nicht werden. Ihr habt vor allem in Hinblick auf das Abitur Erfolgsdruck verspürt. Dieser wird in unserer Leistungsgesellschaft ein ständiger Begleiter bleiben. Achtet darauf, dass ihr nicht mit Rasierklingen an den Ellenbogen durchs Leben geht. Schule sollte euch auch lehren, dass ihr nicht nur on demand unterwegs seid, sondern ganz old school like als permanente Haltung ein an den Werten der Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit, der Solidarität und Sensibilität ausgerichtetes Leben führt, in dem ihr bei aller Freude, die Erfolg mit sich bringt, auch achtsam miteinander und mit euch selbst umgeht.
Zweitens: Mein vierstündiger Religionskurs hat mir für den heutigen Abend folgendes aufgetragen: „Sie dürfen beim Abiball ruhig sagen, dass wir Schulsystemkritiker sind, weil Schule junge Menschen sowieso dazu erzieht, um der besseren Noten willen besser das zu sagen und zu schreiben, was Lehrerinnen und Lehrer hören wollen.“
Ich habe diese Aussage mehrfach hinterfragt, dennoch seid ihr dabei geblieben. Und wisst ihr was, der Stich geht mir immer noch genauso durchs Herz wie damals, als ihr das zu mir gesagt habt. Als Schule sollen und wollen wir euch zu demokratiefähigen und das heißt zu diskurs- und kompromissfähigen Menschen und Bürgern erziehen. Wir wollen euch helfen, zu Sachverhalten ein differenziertes eigenes(!) Urteil bilden zu können und dieses mit Form und Anstand als wichtigen Beitrag zur Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens hörbar zu machen. Deshalb hört nie auf zu lernen. Bemüht euch weiter ganz old school und bitte nicht nur on demand um Weisheit, um Sinn und Verstand. Und werdet dabei bitte alles andere als angepasst. Als Individuen prägt ihr diese Gesellschaft und die Werte, die in ihr gelten, mit. Deshalb schweigt nicht.
Das bringt mich zu meinem dritten und letzten Wunsch: Euer selbstgewähltes Abimotto könnte euch bei dem hoffentlich immerwährenden Unterfangen, verantwortlich euer Leben und das Leben miteinander zu gestalten, wegweisende Leitschnur sein. [Heimlich hinter meinem Rücken ausgedacht, finde ich es ziemlich stark]: „Acht Jahre schwarz gesehen, jetzt wird´s bunt“ ist ein guter Motivationsspruch.
Ich hoffe sehr, dass das Leben für euch wie ein bunter Blumenstrauß viele ganz unterschiedliche Farben und Facetten bereithält. Ich wünsche euch, dass ihr noch viel mehr nette Menschen über die Schule und euer bisheriges Umfeld hinaus kennenlernt. Sucht mit offenen Augen die Vielfalt und Buntheit dieser Welt, ihrer Menschen und ihrer Natur. Leben ist immer mehr als schwarz und weiß und auch weit, weit mehr als gefährliches Schwarz-und-weiß-Denken.
Eine letzte Anmerkung zu eurem Abimotto sei augenzwinkernd erlaubt. Auch am Gymnasium Rutesheim war in den letzten acht Jahren für euch hoffentlich nicht alles Schwarz, sondern ganz viel ganz schön bunt.
Es wäre eine Überschätzung meiner Person und eine Unterschätzung aller Kolleginnen und Kollegen, wenn alles auf schwarz hinausliefe.
Deshalb bitte ich heute Abend zuerst einmal alle Menschen aus der Erweiterten Schulleitung und Schulverwaltung nach oben, die auch ganz viel zu eurer Ausbildung beigetragen haben. Bei ihnen allen möchte mich dafür ganz herzlich bedanken.
Und ebenso bei allen anderen Kolleginnen und Kollegen, die heute Abend auch mit euch feiern, auch sie haben ganz wesentlich zu einer bunten Zeit für euch am Gymnasium Rutesheim beigetragen. Auch dafür ganz herzlichen Dank.
Wir alle wünschen euch gemeinsam weiterhin einen immerwährenden Zauber des Anfangs, alles Gute auf euren Wegen und weise euch gewogene Menschen, die euch im Leben unterstützen und begleiten.
Jürgen Schwarz
Schulleiter
Abiturientinnen und Abiturienten 2018
Weitere Impressionen des Abends finden Sie hier.